
Acker oder englischer Rasen?
Wie war das eigentlich früher mit der Qualität der Spielfläche? So stellt man die Frage gelegentlich bei unserem Rasensport. Konkret geht es mir diesmal um den Zustand in den 50er und 60er Jahren bis zu den Achtzigern des vergangenen Jahrhunderts. Wie sieht es aus mit dem Vergleich „Acker“ und dem Wunsch nach englischem Rasen? Über die Asche-, Sand- und sonstige „Knödelplätze“ soll dabei nichts gesagt werden. Die verdienen einen eigenen Beitrag. Mein Interesse gilt auch nicht direkt den Rasenplätzen von Wembley-Qualität bis zum eben verlegten Rollrasen neuester Generation. Dieses Produkt der Neuzeit kann zum Ende der ersten Saisonhälfte ebenso schon wieder völlig abgetreten sein, wie sich bereits zeigte.

Fußballtrainer Heinz Boock im Jahr 2014 (Foto: Toebs)
Fußball ohne Grasgeruch?
Für meinen alten Trainer Heinz Boock, Mitglied in der „Vereinigung alter Rasensportler (VAR)“, war nicht viel Überlegung nötig, die Frage zu beantworten. „Ob in den höchsten Klassen oder auch in der Verbands-Liga, alle Beteiligten sind einfach zu verwöhnt!“, meinte er. Früher sei es sogar normal gewesen, dass sich der Torwart erst einmal eine Hilfslinie zog. Mit seinen schönen langen Alustollen ritzte er dabei die Grasnarbe vom Ende des 5-Meter-Raumes bis zur Torlinie so auf, dass er die Orientierung besser behalten konnte. „Wenn das heute jemand machte, würden ihn der Platzwart oder die Greenkeeper in den Profistadien ans Kreuz nageln“, sagte mir Heinz. Wenn ich zurückdenke, sehe ich auch noch einen eher sandigen Strafraum in den Regionalliga-Stadien der Stadt vor mir. Die Kommentatoren, hier wieder in den Bundesliga-Stadien, würden auch nicht begreifen, dass schon nach kurzer Zeit Qualitätseinbußen akzeptiert werden müssten, vermutet Heinz. Wenn er dieses Geschrei schon höre: Von wegen Verletzungsgefahr, Acker, unmöglicher Zustand, nichts für Techniker, könnte er am liebsten den Ton abstellen.
Folgt daraus, dass nicht nur in den untersten Klassen, sondern auch höher, so wie oft in USA, der Fußball stets auf Kunstrasen rollen sollte? Oder ist es im TV nur ein Versuch, das Thema am Köcheln zu halten, weil man sonst nichts Vernünftiges zu sagen hat? Hoffentlich nicht. Fußball und Grasgeruch gehören einfach zusammen, solange der Ball ein perfekter Körper ist. Und das ist er doch, oder?

Unentschieden im Luftkampf und nach Abpfiff (Foto: Toebs)
Stadtderby ohne Tore
Am letzten Sonntag beim Oberliga-Stadtderby Blau-Weiß 90 gegen CFC Hertha 06 (0:0) wird es auch kaum am etwas holprigen und stellenweise leicht verdorrtem Untergrund gelegen haben, dass keine Tore fielen. Hier in Berlin und Brandenburg wird durch die lange Trockenheit das Budget der Sportämter beim Wasserverbrauch vielleicht schon bald aufgebraucht sein. So war Geld für mehr Wasser auf dem Traditionsplatz bestimmt nicht drin, vermute ich mal. Oder könnte auch das Sportamt bessere Kontrolle üben? War die Spielfläche am Ende gar nicht so schlecht? Fragen sind leicht zu stellen. Gültige (und goldwerte) Antworten erfordern mehr, als der Experte vom Dorfplatz zu wissen glaubt.
Futsal auf dem Rasen?
Vielleicht hat aber auch Heinz Boock recht, der über 60 Jahre lang ganz andere Flächen bespielte. „Die Leute sehen und hören die Prinzen, die ihr Geld kaum nach Hause tragen können“, merkt er an. Diese Spieler seien Vorbilder, aber können sich die Plätze wie sie über Jahrzehnte auch technisch gut ausgebildeten Fußballern zur Verfügung standen, nicht mehr vorstellen. Geht es nach Heinz, deutet vieles bald auf Futsal auf dem Rasen des Stadions hin. Bloß nicht grätschen und den Rasen beschädigen. Eine schreckliche Vision. Wenn es soweit kommen sollte, werde ich Mitglied bei irgendeiner AMF- (Against Modern Football) Gruppe.

Blau-Weiß mit Trainer Gebhardt in der Mitte stimmt sich auf die nächste Partie ein (Foto: Toebs)
Obwohl… Aufstiegstrainer Marco Gebhardt von Blau-Weiß hat seine eigene Ansicht über den Arbeitseinsatz der zuständigen Stellen in der Gegenwart: „Anständigen Untergrund scheint es nur noch im Osten zu geben“, war sein Kommentar zur Spielstätte an der Rathausstraße. Der Weg zum Auswärtsspiel nach Torgelow am kommenden Wochenende sei zwar weit, dafür würden ihn und die Mannschaft aber ein hervorragender Untergrund erwarten. „Da ist mir die Entfernung egal“.
Noch was zur Pflege, das sich-darüber bin ich mir bewusst-auch etwas nach Altherrensprech anhört: Wir hatten früher bei Meteor 06 auf dem Platz an der Osloer Straße (heute Hanne-Sobek-Sportplatz, der mit dem Gelände aber nie etwas zu tun hatte…) den Platzwart Paule Wolf. Seine Kriegsverletzung, der Armstumpf auf der linken Seite, war für ihn kein Grund, den Platz nicht tadellos zu pflegen. Und darüber, ob das Spielfeld sorgfältig gekreidet war, musste kein Wort verloren werden, denn es war eine Selbstverständlichkeit. Warum auch das heute nicht mehr so gilt, kann ich ohne abgeschlossenes Soziologie-Studium nicht beantworten (siehe oben). Es müsste doch aber möglich sein, etwas mehr gesellschaftliches Engagement zu zeigen. Die kleinen Dinge zählen doch immer mehr, als das große Ganze, oder? Bis das hier auch in Berlin besser ankommt, bleibt Marco Gebhardt nur die Freude auf das nächste Spiel im Osten. Heiß auf Blau-Weiß auf einem gepflegten Untergrund.